Der European Green Deal (EGD) bildet die „neue Wachstumsstrategie“ der Europäischen Union (EU). Ziel der Strategie ist es, Europa bis ins Jahr 2050 klimaneutral zu gestalten. Um die Größe der Aufgabe zu verdeutlichen, spricht die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auch gerne von „Europe’s man on the moon moment“. Ähnlich wie die Mondlandung ist der EGD dabei kein billiges Vergnügen. Wobei die Kosten des Apollo-Programms inflationsbereinigt etwa 112 Mrd. Dollar betrugen – und das sind Peanuts im Vergleich zu den 1 Billion Euro, die die Kommission zur Finanzierung des EGD allein bis 2030 ausgeben möchte. Wie die 1000 Milliarden Euro lukriert werden sollen, beschreibt die Kommission in ihrem „Investitionsplan für ein zukunftsfähiges Europa“.
Mit der Vorstellung des EGD selbst und des zugehörigen Investitionsplans hat die EU-Kommission einen Aufschlag gemacht und der Ball liegt jetzt im Feld der Mitgliedstaaten. Um im Bild zu bleiben: Die Frage ist nun, ob diese den Ball aufnehmen und als Team zusammenspielen? Oder spaltet der EGD die EU weiter?
Der langfristige EU-Haushalt
Etwa 50% (in absoluten Zahlen: 503 Mrd. Euro) der zur Finanzierung des EGD notwendigen Gelder sollen durch den EU-Haushalt bereitgestellt werden – das entspricht etwa einem Viertel des gesamten Haushalts bis 2030. Von besonderer Bedeutung für die Finanzierung des EGD ist daher der langfristige EU-Haushalt (2021-2027; MFR), über den im Moment verhandelt wird. Zwar verfügt die EU über Eigenmittel, nicht aber über eigene Einnahmen, wie beispielsweise Steuern; noch dazu ist es ihr nicht möglich, Schulden zu machen. Der Haushalt der EU beruht in der Folge zum Großteil auf den Beiträgen der Mitgliedstaaten. Neben den traditionellen Eigenmitteln (Zöllen und Zuckerabgaben) und den Eigenmitteln, die die Mitgliedstaaten auf Grundlage eines harmonisierten Mehrwertsteuersatzes erbringen, empfängt die EU außerdem Eigenmittel aus den Bruttonationaleinkommen (BNE) der Staaten.
“Sparsame Vier bis Fünf” vs. “Freunde der Kohäsion”
Wenn auch ursprünglich nur als Ergänzung geplant, machen diese mittlerweile den Löwenanteil der EU-Einnahmen aus: Sie basieren auf einem einheitlichen Prozentsatz, der auf das BNE der Mitgliedstaaten angewendet wird. Reichen die anderen Einnahmequellen nicht aus, um die Ausgaben der EU zu finanzieren, werden diese über die BNE-Eigenmittel gedeckt. Dabei hat sich die EU eine Obergrenze gesetzt, einen Prozentsatz des gesamt europäischen BNE, das nicht überschritten werden darf. Und genau hier liegt der Kern des Zwists.
Während das Parlament schon seit längerem einen langfristigen EU-Haushalt mit einer Höhe von 1,3% des BNE der gesamten Union fordert, sprechen sich die „sparsamen Vier“ (Österreich, die Niederlande, Schweden, und Dänemark; manchmal auch die Sparsamen Fünf – Deutschland wird mal hinzugezählt, mal nicht) für ein gekürztes Budget von exakt einem Prozent aus. Gerechtfertigt wird diese Forderung durch den Brexit und dessen finanzielle Folgen. Zum einen verkleinert sich die EU durch den Austritt des Vereinigten Königreichs und zum anderen gilt es in der Folge ein 75 Mrd. Euro Loch im langfristigen EU-Haushalt zu „stopfen“. Die sparsamen Vier bis Fünf fordern außerdem eine Repriorisierung der Investitionen: Ausgaben für traditionelle Schwerpunkte wie die Kohäsion oder die Gemeinsame Agrarpolitik sollen gekürzt werden und stattdessen für einen verbesserte Handhabung der Migration, die Förderung von Forschung und Innovation, die Stärkung der Verteidigungs- und Sicherheitssysteme der EU oder die Intensivierung des Kampfes gegen den Klimawandel verwendet werden.
Wenig begeistert von diesen Forderungen sind die sogenannten „Freunde der Kohäsion“ (Spanien, Portugal, Griechenland, Bulgarien, Kroatien, Zypern, die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien – allesamt Nettoempfänger), sie fordern einen EU-Haushalt von mindestens 1,1% des BNE und wollen Kürzungen im Bereich der Kohäsions- und Agrarpolitik nicht hinnehmen.
Der MFR als Blaupause für die Klimaambitionen der Mitgliedstaaten
Wie verhärtet die Fronten sind, zeigte sich, als der EU-Sondergipfel zum MFR am 21. Februar 2020 ergebnislos scheiterte. Ein Termin für einen erneuten Gipfel steht bisher noch nicht fest. Die Debatten über den MFR werden durch die Corona-Krise und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Einschnitte, weiter verschärft werden. Für den Erfolg des EGD ist es unabdingbar, dass die Mitgliedstaaten durch einen ambitionierten MFR beweisen, dass sie an das Ziel der Klimaneutralität und den EGD glauben. Gelingt das nicht, handelt es sich beim EGD nur um eine weitere Brüsseler Kopfgeburt, die letztendlich wieder einmal am Widerstand der Mitgliedstaaten scheitert.
Von Anna-Marie Peter B.A., Studierte in Regensburg Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Philosophie. Seit Dezember 2019 ist sie Teil des Shifting Values-Teams in Wien.