Brexit through the gift shop
Neuwahlen im Dezember nun fix: Das jüngste Kapitel der „Komödie der Eitelkeiten“
Blondinenwitze sind out. Weil nach „#metoo“ nicht mehr zeitgemäß. Moment mal, was ist mit Boris, dem fast peroxidblonden Hairstyle-Desaster megalomanischen Zuschnitts, der bereits im zarten Knabenalter erklärte, „König der Welt“ werden zu wollen? (Quelle: Frankfurter Allgemeine) Der bettelt ja geradezu nach satirischer Verunglimpfung. Erledigt er auch gerne mal gleich selbst. O-Ton Johnson: „Wer konservativ wählt, erhöht seine Chancen auf den Besitz eines BMW M3 und auf größere Brüste seiner Frau.“ Je nach humoristischer Schmerzgrenze Schenkelklopfer oder Rohrkrepierer … nur Johnson ist Politiker, nicht Comedian. Schlimmer noch: „Horror-Clown“ Boris steht an der Spitze jener Nation, die sich anschickt, die Europäische Union in ihren Grundfesten zu erschüttern.
Denn Boris will den Brexit. Um jeden Preis. 70 Milliarden Pfund Schaden für Großbritanniens Wirtschaft allein im nächsten Jahr … wurscht. Deshalb sind wohl auch jene 100 Millionen Pfund, die Johnson in die Informationskampagne „Get ready for Brexit“ pumpte, nicht mal der Rede wert. Und das heillose europäische Chaos nach einem Austritt der Briten ist ebenfalls schnurz. Logisch: Dem selbsternannten „König der Welt“ geht’s augenscheinlich einzig und allein darum, Spuren zu hinterlassen. Machen Herrscher so. Schon immer. Und folgerichtig führt Johnsons Spur der Verwüstung bereits in wenigen Wochen zur entscheidenden Schlacht: der britischen Neuwahl am 12. Dezember.
Warum liegt auf der Hand: Boris wittert den süß-sauren Geruch des Triumphs. Glaubt man den Umfragen, liegen Johnsons konservative Tories mehr als zwölf Prozentpunkte vor der Labour-Partei, die sich wiederum nur knapp vor den Liberaldemokraten hält. Bleibt das so und „Zauselhaar“ Boris gewinnt, verabschiedet sich das Vereinigte Königreich aller Voraussicht nach am 31. Jänner 2020 endgültig aus der Union. Freilich noch ohne jedwede Einigung hinsichtlich der künftigen Beziehungen. Dieser Streit ginge in die Verlängerung – und wahrscheinlich über Anfang 2021 weit hinaus.
Für Boris wählen – oder nicht?
Geht proeuropäischen Briten angesichts des drohenden Supergaus nicht das Hinterteil auf Grundeis? Doch. Wir zitieren den „Guardian“:
Falls die Tories tatsächlich gewinnen, ist’s deren Aufgabe, den Brexit-Deal zu verwalten – und das nicht bloß für die nächsten fünf Jahre. Die Hinterlassenschaft miserabler Konsequenzen für die gesamte Bevölkerung, ja für ganz Europa, klebt an deren Fersen für immer. Das historische Verbrechen, ein ganzes Land mit Lügen und falschen Versprechungen in die Irre geführt zu haben. Möge deren Erfolg auch deren Untergang sein.
Wirft die entscheidende Frage auf: Weshalb halten britische Wähler „Blondie Boris“ die Stange? Dummheit oder doch britischer Humor? Wohl mehr Mangel an Alternativen. Worüber zerbrach sich nochmal eine Delegierte der Partei Change UK, die für den Verbleib in der EU eintritt, in einer BBC-Sendung vor Live-Publikum den Kopf? Darüber: „Wenn wir die Union verlassen, wer soll dann unseren Kaffee servieren?“ Wie heißt’s neuhochdeutsch so schön? Cringe …
clown world
Die Moral von der Geschicht’: Vertrau dem Polit-Theater nicht! Was uns als Realität verkauft wird, ist in Wahrheit das Stück „Clown World“ … in Szene gesetzt auf der Bühne des Lebens. Einer der aktuellen Hauptprotagonisten: „unser“ Boris. Geboren in New York, zur Schule gegangen in Brüssel. Der Großvater mütterlicherseits, James Fawcett, Mitglied und Präsident der „Europäischen Kommission für Menschenrechte“, der Opa väterlicherseits, Ali Kemal, Innenminister des Osmanischen Reiches. Und das Urgroßelternpaar mütterlicherseits stammte aus dem damals noch dem Russischen Kaiserreich zugerechneten Litauen. Und dieser Boris, das Produkt einer genetischen Mixtur unterschiedlichster Herkunftsländer, ist es nun, der das Hohelied auf den Nationalstaat anstimmt und vehement dafür eintritt, das Gemeinschaftsprojekt EU nachhaltig zu sprengen. Verdammt, ohne Grenzen sprengende Individuen gäb’s den Schnösel nicht mal …
Und doch ist er da. Als Hauptfigur in „Clown World“, der Seifenoper mit realen Konsequenzen. Schon Ambrose Bierce, Schriftsteller und Schöpfer der Aphorismen-Sammlung „Des Teufels Wörterbuch“ bezeichnete Politik als „Führung öffentlicher Angelegenheiten zum privaten Vorteil“. Heißt was? Abschalten … sofort! Nur so trudelt „Clown World“ ins Quotentief, das es verdient. Die Europäische Union sind wir, nicht die Johnsons dieser Welt. Und wollen wir ein Drehbuch nach unserem Geschmack, müssen wir es wohl selbst schreiben …
Heinz Lackner, Journalist