Ein Plädoyer, am 26. Mai 2019 die Weichen für eine gemeinsame europäische Umweltpolitik zu stellen
Deutschland war einmal Vorreiter im Umweltschutz und Lokomotive für den umweltpolitischen Fortschritt in Europa. Doch diese Zeiten sind vorbei. Unser Ruf in Europa hat gelitten. Kein anderes Land wird in Sachen Umwelt so oft von der EU-Kommission verklagt. Beispielsweise in Sachen Luftreinhaltung und Düngerecht. Die momentane Bundesregierung steht für umweltpolitische Mut- und Ambitionslosigkeit. Dabei wäre es für Deutschland richtig und wichtig, wieder eine aktive und führende Rolle in Europas Umweltpolitik zu übernehmen. Ohne das aktive Engagement Deutschlands kann auch Europa seine Rolle in der Welt nicht effektiv wahrnehmen.
Warum ist Europa so wichtig und warum sollten alle Bürgerinnen und Bürger am 26. Mai, wenn das Europäische Parlament neu bestimmt wird, zur Wahl gehen? – Deutlich mehr als die Hälfte unserer Umweltgesetze stammen inzwischen aus Brüssel. Dazu gehören beispielsweise die Grenzwerte für saubere Luft, für nitratfreies Trinkwasser, für energiesparende Elektrogeräte oder für sparsame Autos. Das ist erst einmal gut für die Wirtschaft, denn Europas Unternehmen sollen überall dort, wo sie investieren, vergleichbare Regeln und Standards vorfinden. Doch es ist auch wichtig für uns Europäerinnen und Europäer selbst. Alle von uns, gleich aus welchem Mitgliedstaat, egal ob arm oder reich, sollen die Chance haben, in einer gesunden Umwelt aufzuwachsen und zu leben. Es geht um ein Europa, das schützt, auch vor Bedrohungen für die Umwelt und für unsere Gesundheit.
Insofern ist es ein großer Fortschritt, dass wir eine gemeinsame europäische Umweltpolitik haben. Alle Richtlinien und Verordnungen, die Brüssel erlässt, werden übrigens gemeinsam beschlossen – entweder per Mehrheit oder sogar einstimmig. Ein großer Mitgliedstaat wie Deutschland wird dabei äußerst selten überstimmt. Insofern weisen bei all denen, die mit dem Finger nach Brüssel zeigen, über bürokratische Zumutungen und unzureichende Regelungen klagen, vier Finger der eigenen Hand immer zurück auf die eigene Person.
Europa hat in der Welt nur dann Gewicht, wenn es geschlossen auftritt. Zum Beispiel bei den internationalen Klimaverhandlungen: Hier geht es darum, dass wir in Europa – einer Ansammlung relativ kleiner Länder – unsere Interessen und Vorstellungen gegenüber Trumps USA oder mächtigen Schwellenländern wie China durchsetzen können. Beispiel Regenwaldschutz: Wenn der neue brasilianische Präsident Bolsonaro den Regenwald für den Sojaanbau abholzen möchte, muss er ein starkes Nein aus Europa vernehmen. Und wir müssen unsere Agrarpolitik so reformieren, dass sie ohne Massentierhaltung und massive Futtermittelimporte aus dem Süden auskommt. Beispiel Auto: Nur wenn die europäische Autoindustrie heute auf saubere und effiziente Fahrzeuge setzt, wird sie von der Konkurrenz in China nicht abgehängt.
Wenn Sie also am 26. Mai zur Wahl gehen, haben Sie die Gelegenheit, die Weichen Europas mitzustellen. Nutzen Sie diese Chance! Das neue Europaparlament braucht eine pro-europäische und pro-demokratische Mehrheit. Nur dann hat auch unsere Umwelt eine Chance.
Sascha Müller-Kraenner, Experte im Bereich Naturschutz, Klima- und Energiepolitik, Seit 2015, einer von zwei Bundesgeschäftsführern der Deutschen Umwelthilfe, https://www.duh.de/