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Wildtierhandel – ein globaler Weckruf

Auf unserem gesamten Planeten schrumpfen die Wildtierbestände massiv. Seit 1970 hat der Mensch Bestandsrückgänge von 60% auf dem Gewissen. Die „Roten Listen“ der Weltnaturschutzunion (IUCN) stufen ein Viertel aller Säugetierarten, ein Drittel der Hai-, Rochen- und Korallenarten, sowie 40% der Amphibienspezies als vom Aussterben bedroht ein. Und es gibt wohl viele weitere Arten, die gar nicht erfasst sind.

Der Global Assessment Report on Biodiversity and Ecosystem Services, der kürzlich von der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) veröffentlicht wurde, schätzt die Zahl der vom Aussterben bedrohten Arten auf eine Million, identifizierte kommerzielle Nutzung als eine der Haupttriebkräfte des Biodiversitätsverlustes, betonte die Notwendigkeit „transformativer Veränderungen“ für die Wiederherstellung und den Schutz der Natur, und deutete auf die Herausforderung, starke Partikularinteressen zu überwinden. Von einem zwischenstaatlichen Gremium sind das starke Worte und sie kommen keine Minute zu früh.

Der kommerzielle Handel mit Tieren und ihren Körperteilen ist eines der großen Probleme, denen Wildtiere ausgesetzt sind. Sie werden lebend für den Heimtiermarkt, zur Schaustellung oder für die Forschung gehandelt, und ihre Köpfe, Häute, Zähne, Knochen, Gallensäfte und andere Körperteile finden Absatz als Nahrungsmittel, Trophäen, Schmuck, Zierrat, traditionelle Medizin, Tonika und unzählige weitere Zwecke.

Alleine im Jahr 2015 wurden 1,2 Millionen internationale Handelstransaktionen gemeldet, die Wildtiere geschützter Arten oder ihre Körperteile betrafen. Und das ist nur der legale zwischenstaatliche Handel. Für den illegalen Artenhandel (ohne Fisch und Holz) belaufen sich die Schätzungen auf mehr als 23 Milliarden US-Dollar.

Lone rhino standing on a open area looking for safety from poachers

Jedes Jahr töten Wilderer mindestens 20.000 Elefanten wegen ihres Elfenbeins. In Südafrika wurden alleine im vergangenen Jahrzehnt fast 8.000 Nashörner getötet, um an ihr Horn zu gelangen – und das bei einem Weltbestand von weniger als 30.000 Tieren. Der Jagd nach ihren Flossen fallen jährlich 100 Millionen Haie zum Opfer. Für ihre Schuppen und ihr Fleisch wurden im letzten Jahrzehnt geschätzte 10 Millionen Gürteltiere getötet. Tausende Menschenaffen werden jedes Jahr hingemetzelt, um die Nachfrage nach Heimtieren, Attraktionen, Bushmeat und rituellen Körperteilen zu bedienen. Die Umsätze liegen hier bei vielleicht 10 Millionen US-Dollar oder mehr.

Im August 2019 werden sich in Genf Regierungsvertreter von mehr als 150 Staaten zur 18. Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artschutzabkommens (CITES) zusammenfinden, um über die Regeln für den internationalen Handel mit wildlebenden Tieren und Pflanzen zu beraten. Auch Vertreter von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Handelsorganisationen und Medien werden unter den mehr als 3000 Delegierten sein. Bei der Konferenz wird es um Vorschläge gehen, manche Arten stärker vor dem Handel zu schützen, andere hingegen weniger stark.

Die Regierungen wenden beträchtliche öffentliche Mittel auf, um ihre Mitarbeiter zu dieser Konferenz zu schicken, wo sie die Bürger ihrer Länder vertreten sollen. Auch aus diesem Grund müssen sich die Entscheidungen auf den Schutz von Tieren und Pflanzen gegen die negativen Folgen des Handels konzentrieren, statt den kommerziellen Interessen der Händler zu dienen. Anders gesagt, die im Global Assessment Report identifizierten starken Partikularinteressen dürfen nicht die Oberhand behalten.

Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten spielen in diesem Prozess eine entscheidende Rolle. Da jeder EU-Staat eine Stimme hat und da im Vorfeld der CITES-Konferenzen gemeinsame Positionen festgelegt werden, damit die EU als Block abstimmen kann, gibt die Position der EU oft den Ausschlag, ob ein Antrag angenommen oder abgelehnt wird.

Die europäische Öffentlichkeit muss darauf vertrauen können, dass ihre Anliegen für die Zukunft der wildlebenden Tiere und Pflanzen ins Portfolio der Delegierten kommen, die sie bei der Konferenz vertreten. Die EU muss daran erinnert werden, dass beim Wildtierhandel ein starkes Vorsorgeprinzip und ein Fokus auf die Verbesserung des Schutzes essentiell sind, wenn wir der globalen Biodiversitätskrise etwas entgegensetzen wollen.

Die Welt muss sich bewusst werden, dass wir uns aus dem Massenaussterben nicht „heraushandeln“ können. Wenn wir weitere Rückgänge verhindern und Wildtieren eine Zukunft gewährleisten wollen, dürfen wir sie nicht länger wie eine Ware behandeln.

Die internationale Gemeinschaft wird sich jetzt endlich der Klimakrise bewusst. Aber auch die Biodiversität – und damit die unzähligen Spezies, die unsere komplexen Ökosysteme bilden, von denen wir alle für saubere Luft, sauberes Wasser, Nahrung und viele weitere „Ökosystem-Dienstleistungen“ abhängig sind – steckt in einer tiefe Krise. Und diese beiden Krisen stehen miteinander in engem Zusammenhang. Um die verheerenden Folgen des Klimawandels abzufedern, müssen wir den Biodiversitätsverlust eindämmen und umkehren, und vice versa.

Wildtiere müssen in der freien Wildbahn bleiben, dort, wo sie hingehören.

Mark Jones, Head of Policy, Born Free Foundation, https://www.bornfree.org.uk/
Mark ist ausgebildeter Veterinär. Erfahrung sammelte er unter anderem in der Betreuung von beschlagnahmten, verwaisten oder verwundeten Wildtieren, darunter Menschenaffen, Bären, Vögel und Reptilien, in Auffang- und Rehabilitationszentren in Südamerika und Asien. Er spezialisierte sich zunehmend auf die Problematik des internationalen Wildtierhandels, Wildtiermanagement und Tierwohl. Im Jahr 2014 übernahm er die Leitung des politischen Kampagnenbereichs bei der Born Free Foundation.
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